Tiere sind auf Kreta ein spezielles Thema. Vor dem Hintergrund streunender oder vom Besitzer einfach ausgesetzter Hunde und Katzen braucht man starke Nerven. Wir müssen daran noch arbeiten.
»Irgendwann steht er vor Euch und hat Euch adoptiert«, hatte uns ein Kreta-Insider prognostiziert. Gemeint war ein Hund. Bisher waren wir aber nur von einem Kater adoptiert worden, der noch dazu ein Doppelleben führte und nach unserer Abreise wieder in sein erstes Zuhause zog.
Jetzt aber tauchte „unser“ Wuffi am Müllkasten im Olivenhain auf
Der Hund entdeckte Norbert, als dieser gerade den Abfallbeutel mit den Knochenresten wegtrug. Niemand hatte den Kleinen zuvor dort gesehen. Der Hund war ängstlich und sah recht verhungert aus. Natürlich bekam er die Reste und später auch mehr zu Fressen. Um Wasser mussten wir uns bei den vielen laufenden Wasserschläuchen im Olivenhain eher keine Sorgen machen – mehr um die Sicherheit, denn man schießt in unserer Gegend gern mal mit den allgegenwärtigen Waffen herum. Und dann die nahe Schnellstraße …
Hund sucht Anschluss
Langsam fasste unser neuer Freund Vertrauen und folgte Norbert, später auch unseren Gästen. Er verteidigte unser Grundstück, holte sich regelmäßig sein Futter und tobte ansonsten durch den Olivenhain. Später hielt er sich direkt bei uns auf, „half“ bei der Gartenarbeit und schlief erst im Gras auf dem unbewohnten Nachbargrundstück, später bei uns auf der Terrasse. Vier Menschen nur für ihn – das schien ihm sehr zu gefallen. In uns allerdings wuchs von Beginn unserer Bekanntschaft an die Sorge, was wohl mit unserem Schützling passiert, wenn wir wieder in Berlin sind. Mitnehmen ausgeschlossen – solche Tiere brauchen jemanden, der Zeit hat, und gehören definitiv nicht in eine Stadtwohnung!
Der Umgang mit Tieren ist auf Kreta immer noch heikel, auch wenn es inzwischen Gesetze gibt und man sogar hin und wieder kretische Männer (!) mit einem Hund an der Leine Gassi gehen sieht – vor ein paar Jahren noch undenkbar. Auch die Aktionen der Tierschützer, die regelmäßig kostenlose Kastrationen, Versorgung u. v. m. anbieten, zeigen Wirkung.
Aber die Einheimischen haben häufig ein eigenes Verständnis, wenn es um die Verantwortung für Tiere geht. Mancherorts vergiftet man Tiere, bei uns hier wird eher geschossen.
Auch Aussetzen ist nicht selten. Letztes Jahr mussten wir miterleben, wie ein Bauer das mit seinem jungen, gesunden Labrador tat, ein richtig liebes Tier, das die Welt nicht mehr verstand. Unsere britische Nachbarin fand zum Glück ein britisches Paar, das sich um Hunde in Not kümmert. Als sie ihn kennenlernten, adoptierten sie den lieben Kerl sofort – Vermitteln war nicht mehr.
In unserer Gegend wohnen zudem teils recht betagte, alleinstehende Residenten aus Deutschland oder UK. Wenn denen mal was zustößt … Je nach Situation bleibt das Tier dann auch schnell sich selbst überlassen.
So war es wohl auch mit unserem Findelkind. Der noch junge Hund trug ein schönes Lederhalsband und wirkte sehr gepflegt. Er war sauber, sozial und hörte sogar. Andererseits war er einsam und hungrig. Niemand kümmerte sich um ihn, niemand in unserer Umgebung kannte ihn.
Wir suchen und finden Hilfe
Wir kontaktierten den örtlichen Tierarzt per E-Mail, erhielten aber keine Antwort. Die Macher von Radio Kreta antworteten. Sie schlugen vor, den Hund zu ihnen auf das Gelände am Hafen in Paleochora zu bringen, das von Tierschützern betreut wird.
Die Auffangstation in Paleochora ist allerdings kein Tierheim mit abgeschlossenen Boxen. Der Hund muss auf dem freien Terrain bleiben WOLLEN. Wenn er aber bleibt, hat er eine Chance auf regelmäßige Versorgung, Schmuseeinheiten und vielleicht sogar die Vermittlung an jemanden, der ihn gern hat. Unsere spontan in die Wege geleitete Vermittlungsaktion zeigte so schnell natürlich keine Wirkung.
Tierschutz kostet Geld
Spenden sind immer willkommen. Auch Flugpaten werden laufend gesucht. Das Ganze ist recht unkompliziert und kostet den Flugpaten kein Geld. Informationen dazu auf der Seite von Radio Kreta. » Link
Am letzten Aufenthaltstag fuhren wir unseren Schützling auf die Südseite der Insel. Wir kamen uns wie Verräter vor … Die Tour nahm den Hund mit – uns auch. Am Zielort angekommen, erkundeten wir zusammen mit ihm das Gelände und waren dabei, als er die andern Hunde kennenlernte. Dann suchte er sich aber allein ein „Versteck“ am Rande des Platzes in einem großen Strauch. Er lag mit dem Kopf auf seiner Decke und war fertig mit der Welt. Wir fühlten uns absolut schlecht, als wir wegfuhren.
Am nächsten Morgen kam von den Betreuern des Platzes die Botschaft, unser Schützling sei nicht da. Das machte unser Befinden nicht besser. Dann aber, als wir schon auf dem Weg zum Airport in Heraklion waren, ging die E-Mail mit Fotos von ihm ein. Susanne hatte ihn gefunden und es ging ihm gut.
Heute, einen Tag später, sieht die Sache schon wieder anders aus. Unser Schützling war wieder nicht da, als Susanne zum Füttern der Hunde auf das Gelände kam. Wir wissen, dass das noch nichts Schlechtes heißen muss. Und wir wissen auch, dass wir nicht jeden Hund mitnehmen können – aber noch sind starke Nerven Mangelware. Und dieser Hund war einfach so entzückend in seiner Art.
Vielleicht hilft ihm sein soziales Wesen, doch noch einen Menschen für sich zu finden. Wir hoffen für ihn. Wer diesen Hund bekommt, kann sich wirklich freuen.
Unser Findelkind sollte in Odysseus umbenannt werden. Zusammenfassung der letzten Wochen: http://radio-kreta.de/tierschutz-auf-kreta-unser-neuzugang-henry/