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Kreta mit dem Rollstuhl

Rollstuhl fahren in Chania

Barrierefrei mit dem Rollstuhl auf Kreta? Da ist man erst am Anfang. Doch es funktioniert besser als gedacht – zumindest bei uns im Nordwesten.

Wenn eine 90jährige Seniorin nach Kreta reist, ist einiges zu bedenken, zumal wenn sie schwer gehbehindert ist. Wir hatten ausführlich recherchiert und organisiert, bevor wir Norberts Mutter anlässlich ihres Jubiläums nach Kreta einluden.

Zunächst einmal mussten wir die Mobilität absichern, denn dass das E-Mobil nicht mitkommen wird, stand fest. Wir besorgten stattdessen einen faltbaren Rollstuhl für die Reise. Das Sanitätshaus Seeger in der Berliner Matthiasstraße stellte uns den 1A-Rollstuhl zu sehr moderaten Konditionen zur Verfügung.

Vor Ort hatten wir einen Toyota Yaris – wie immer bei Justrentals – gemietet. Der Rollstuhl passte akurat in den Kofferraum. Wir mussten ihn allerdings etwas abpolstern, damit die Heckscheibe keinen Schaden nimmt. Ein Schaumstoffrest und etwas Luftpolsterfolie waren ausreichend.
Koffer und Tasche unserer Seniorin plus unser Handgepäck fanden am An- und Abreisetag auf der Rückbank Platz. Wer mit großem Gepäck reist, sollte sicherheitshalber einen Klasse höher buchen.

Unsere Erfahrungen mit dem Rollstuhl

Rollstuhl-taugliche Zufahrten auf Kreta

Rollstuhl-taugliche Zufahrt zur Taverne an den Quellen von Agia Dynamis

Abgesenkte Bordsteine, Rampen statt Treppen, mobile Rampen an Sehenwürdigkeiten, verfestigte Wege – all das gibt es auch auf Kreta, aber eben nicht überall, nicht standardisiert und oft auch nicht zu Ende gedacht. Etwa, wenn Zugänge zu Restaurants zwar barrierefrei, die Toiletten aber mit dem Rolli oder selbst mit dem Gehstock unerreichbar sind.

Worauf wir früher nie geachtet hatten: Bei uns im Nordwesten haben inzwischen viele Hotels und Gaststätten dafür gesorgt, dass auch Rollstuhlfahrer zu ihnen kommen können und entsprechende bauliche Änderungen korrekt vorgenommen.

Die größte Herausforderung für den Rollstuhl – und den, der fährt oder schiebt – stellt jedoch das Terrain an sich dar, denn Kreta ist nunmal bergig und stufig. Nur am Strand bleiben? Auch keine Option! Und so konnte Norbert in den vergangenen zwei Wochen ordentlich seine Armmuskeln trainieren. Das spart zumindest das Fitness-Center 🙂

Richtig schlecht:
Toilettenkabinen haben wir in den seltensten Fällen barrierefrei angetroffen. Die meisten, die wir unterwegs sahen, kann nur benutzen, wer sich im Ausnahmefall mit dem Gehstock fortbewegen kann und/oder Hilfe hat.

An- und Abreise mit EasyJet

Special Assistance-Service in Berlin-Schönefeld

Special Assistance-Service in Berlin-Schönefeld

Wir reisten mit EasyJet von Berlin-Schönefeld nach Heraklion und zurück. Die Fluggesellschaft hatten wir bereits bei der Buchung informiert, dass unsere Seniorin stark gehbehindert ist und deshalb Hilfe benötigt. Das Fliegen klappte. Die Bedenken, die wir vor der Reise hatten, waren unnötig.

Berlin-Schönefeld - Heraklion

In der Abfertigungshalle im Terminal B herrschte das übliche Chaos am frühen Morgen, doch am Schalter 29 – Special Assistance – störte das wenig. Wir wurden direkt persönlich abgefertigt (Koffer) und gebeten, am Rand Platz zu nehmen. Irgendwann meldete sich ein Servicemitarbeiter, der uns per Fahrstuhl in die 1. Etage und dort an allen vorbei durch die Sicherheitskontrolle zum Abflug-Gate lotste.

Ein neuer Servicemitarbeiter stieß zu uns, als das Boarding begann. Er sammelte Bordkarten und Ausweise zum Scannen ein und brachte uns dann hinunter aufs Vorfeld. Hier wartete bereits das Spezialfahrzeug mit Hebebühne, das uns zum Flieger und dort direkt an die Einstiegsluke fuhr. Bis zum Sitz schaffte die Seniorin den Weg mit dem Stock.

Unser Rollstuhl wurde derweil im Flieger verstaut und kam erst in Heraklion wieder zum Einsatz. Nachdem in Heraklion alle ausgestiegen waren, erschien das griechische Servicepersonal mit Spezialfahrzeug und unserem Rollstuhl und brachte uns in die Ankunfthalle.

Heraklion - Berlin-Schönefeld

Der Rückflug war weniger perfekt. In Heraklion steht offensichtlich zu wenig qualifiziertes Personal für den Special Assistance-Service zur Verfügung. Nach dem Einchecken wurden wir wieder gebeten, auf die Abholer zu warten. Dann aber ging es nicht weiter.

Zum Glück war am Airport in der Vorsaison noch nicht viel los und der EasyJet-Flug mitten in der Woche nicht ausgebucht. Wir hatten die Situation damit im Blick. Ich musste aber mehrfach nachfragen, ehe endlich jemand kam. Eine junge und völlig unerfahrene Mitarbeiterin des Bodenpersonals übernahm schließlich den Transport durch die Sicherheitkontrolle zum Gate. Vom Gate aus ging es wieder mit dem Spezialfahrzeug in den Flieger.

Das Spezialfahrzeug fehlte leider später in Berlin – ein Übermittlungsfehler. Am Ende kamen Norbert und seine Mutter mit dem Rollstuhl jedoch unversehrt am Gepäckband an.

Unterwegs auf Kreta

Wir haben viel gesehen in den zwei Wochen Urlaub und waren überrascht, was doch auch mit dem Rollstuhl geht. Hin- und wieder musste der Gehstock kurzzeitig zum Einsatz kommen.
Gerade für Naturerlebnisse mussten die Autofahrten reichen. In Falasarna zum Beispiel bietet die Fahrt über die Serpentinen hinunter zu den Stränden tolle Blicke auf die Bucht. Der Strand selbst ist dann leider unerreichbar.

Eine Auswahl unserer Unternehmungen:

Kloster Chrysopigi

Das Nonnenkloster bei Chania wirkt auf den ersten Blick wenig barrierefrei – ist es aber doch. Ich ging vor und erklärte kurz die Situation. Bereitwillig öffnete uns eine der Schwestern den zweiten Flügel der Eingangstür. Sie brachte uns die mobile Rampe, mit deren Hilfe wir die Stufen überwinden konnten, und öffnete auch die Seitentür zur Klosterkirche. So stand der Besichtigung der schönen Anlage nichts mehr im Wege.

Als Zugabe lud uns die Schwester später ein, uns in einem Nebengelass zu erfrischen. Smalltalk bei kühlem Wasser und Keksen waren eine willkommene Erfahrung. Und natürlich kauften wir wieder das Bio-Olivenöl, das die Schwestern hier produzieren.

Chania, rund um den Venezianischen Hafen

Das verwinkelte Chania mit seinem ständigen Auf und Ab war eine Herausforderung, vor allem für Norbert, der den Rollstuhl schob. Aber auch hier klappte es besser als gedacht. Die abgesenkten Bordsteinkanten waren nur selten zugeparkt oder nicht erreichbar, etwa weil zwischendurch Tavernen ihr Mobiliar auf die Straße gestellt hatten.

Problematisch ist eher die Breite der Gehwege. Da wächst mal ein Baum schief und krumm und behindert das Durchkommen oder eine Treppe führt weit auf den Gehweg hinaus. Und nicht immer passt die Absenkung auf der einen Straßenseite zu der auf der anderen. Vorausschauend Rollstuhl fahren war da Pflicht. Die Autofahrer benahmen sich aber sehr umsichtig, so dass wir uns nicht ins Gehege kamen.

Rollstuhl fahren in Chania

Rampen neben den Treppen findet man an einigen Stellen der Altstadt von Chania.

Positiv:
An vielen Stellen in Chania sind die Zugänge inzwischen barrierefrei gestaltet. Neben den Stufen, zum Beispiel an den Zugängen zur Platia an der Sankt-Nikolaus-Kirche, befindet sich auch eine gepflasterte Rampe.

Selbst die historische Markthalle ist mit dem Rollstuhl erreichbar, allerdings nicht über jeden der Zugänge.

Deliana-Schlucht

Mit dem Rollstuhl in die Schlucht? Wir kennen uns in Deliana ganz gut aus und wollten wenigstens einen ersten Eindruck von der schönen Natur vermitteln. Ein Stück des Weges, wussten wir, sollte mit dem Rolli möglich sein – vor den Unwettern im Februar 2019

Rollstuhl in Deliana im Mai 2019

Mit dem Rolli haben wir heute in der Deliana-Schlucht keine Chance.

Jetzt, im Mai, war in der Deliana-Schlucht nicht mehr, wie es war. Die Aufräumarbeiten laufen zwar, dauern aber wohl noch lange, zumal da nur eine Hand voll Arbeiter beschäftigt war. An das Befahren der Schlucht mit dem Rolli war unter diesen Umständen nicht zu denken. Und so mussten ein paar Schritte mit dem Gehstock reichen.

Kloster Agia Triada Tsagarolon

Die schöne Klosteranlage auf der Halbinsel Akrotiri ist ein Muss für alle unsere Gäste. Doch nur mit Mühen überwand unsere Seniorin mit Norberts Hilfe die Stufen zum Eingang. Ich schleppte den Rollstuhl hoch.

Oben, beim Kassieren des Eintrittsgeldes, erfuhren wir dann nicht nur, dass der Eintritt für behinderte Personen frei ist, sondern auch, wo welche Rampen auf dem Gelände zu finden sind. Wir hätten auch die Stufen zum Eingang nicht nehmen müssen. Mit dem Rollstuhl kann man die Zufahrt links neben dem Kloster (am Shop vorbei) nehmen. Das muss allerdings angesagt werden, denn jemand muss den zweiten Flügel der Zugangstür von innen öffnen.

Paleochora

Im Ferienort selbst kamen wir sehr gut zurecht, die Festung oberhalb von Paleochora musste natürlich ausfallen 🙂

Nach dem Bummel durch den Ort fuhren wir nach Grameno etwas westlich von Paleochora. An diesem schönen Strand ließ sich schon so mancher unserer Gäste vom Baden überzeugen. Wenigstens die Füße sollten heute hinein. Es klappte.

Lappa (Argyroupolis) & Strand von Episkopi

Wir waren an den Quellen unterhalb des antiken Lappas unterwegs, den Ort darüber hätten wir uns mit dem Rollstuhl nicht zugetraut. Der Parkplatz war sowohl im Tal als auch an den Wasserfällen kein Problem. So konnten wir Natur und historische „Überbleibsel“ uneingeschränkt genießen.

Bei den Wasserfällen, gleich wenn das Gelände beginnt, gibt es sogar einen Weg für Rollifahrer. Die Breite ist recht knapp bemessen, man kommt aber hoch. Über diesen Weg gelangt man auch in die Agis Dynamis-Taverne gleich daneben. (mehr zur Taverne weiter unten)

Unten, am Strand von Episkopi, hielten wir auf dem Parkplatz gleich gegenüber der Straße, die nach Argyropoulis führt. Da die Wege gepflastert oder mit Bohlen belegt sind, ist der Zugang problemlos.

Restaurants und Cafés

Barrierefreier Zugang zur Strandbar Menta in Maleme

Perfekt ist dieser Zugang zur Strandbar Menta in Maleme.

Auf unseren Touren haben wir immer für Rollifahrer geeignete gastronomische Einrichtungen gefunden. Die Restaurants direkt am Strand in Maleme sowie Kolymbari sind problemlos zugänglich. Wir waren aber auch in Tavernen mit vielen Treppen. Bei den folgenden gab es aber Möglichkeiten für den Zugang.

Strandbar Menta in Maleme

Die beliebte Einrichtung ist üblicherweise über Stufen nach oben zu erreichen. Hier gibt es aber spezielle Auffahrten für Rollstuhlfahrer auf die verschiedenen Ebenen der Bar.

Mama's Food, Platanias

Die Taverne am westlichen Ende von Platanias liegt etwas tiefer als die Straße. Parallel zu den Treppenstufen verfügt sie über eine Rampe, die den Zugang zur Taverne – auch in den Garten – ermöglicht.

Drakiana-Taverna, Drakiana

Unser Favorit in den Bergen hoch über Platanias wurde durch die Unwetter Ende Februar komplett zerstört. Mit viel Liebe und Mühe haben die Besitzer die Taverne wieder aufgebaut. Die Wege sind noch etwas frisch und damit nicht so trittfest wie vormals. Wir kamen aber gut klar.

Houmas, Grameno

Das Houmas ist vom Parkplatz kommend von der Landseite aus über eine Rampe zugänglich. Auch im Innenbereich können sich Gehbehinderte gut bewegen. Die Toilette ist ebenfalls erreichbar, selbst aber nicht barrierefrei.

Agia Dynamis, Lappa (Argyroupolis)

Hier hatten wir die größten Bedenken. Auf die erste Ebene der Taverne zu gelangen war jedoch kein Problem. Über den Weg, der auch zu den Quellen führt, gelangt man dorthin, sofern ein Helfer zur Verfügung steht. Denn die „Rampe“ ist in der Breite seeehr knapp bemessen. Auch an den Wendepunkten wird es eng.

Ein Toilettenbesuch wäre allerdings nicht möglich gewesen, denn die entsprechenden Einrichtungen befinden sich zwei Ebenen höher und der Weg dorthin führt über Steinstufen ohne Geländer …

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