»Neues Leben« klingt pathetisch, beschreibt aber das, was wir fühlen. Unser Umzug war in jeder Hinsicht die richtige Entscheidung.
Die Sonne geht auf …
… in diesem Fall vor unserem Wohnzimmer mit Blick auf Akrotiri 🙂
Wir haben unser Ferienhaus gegen ein fast barrierefreies For-Ever-Home „getauscht“ und leben seit vier Wochen knapp 100 Meter höher am Rande von Kontomari. Wenn wir vor die Tür treten, sehen wir das Meer und die Berge, unseren Garten, Oliven und Landschaft. Platanias liegt uns quasi zu Füßen und weiter hinten geht der Blick rechts nach Chania und Akrotiri sowie links bis nach Kolymbari.
Gut, das hatten wir in Pirgos Psilonerou so ähnlich … Der entscheidende Unterschied: Hier gibt es draußen vieeel Platz. Die Nachbargrundstücke sind weit genug weg, um nicht eng aufeinander hängen zu müssen, gleichzeitig aber ausreichend nah für gute Gespräche und gutnachbarschaftliche Kontakte.
Dass Nachbarschaft auf Kreta mal zum Problem werden könnte, hätte ich persönlich niemals für möglich gehalten. Denn als Berlinerin kenne ich Häuser mit mehreren Parteien und hatte nie schlechte Erfahrungen. Aber auf Kreta leben neben den vielen weltoffenen Kreta-Liebhabern, Aussteigern, Neugierigen & Co. eben auch Menschen, die kommen, weil das Wetter schön und das Leben billiger ist, ansonsten aber westeuropäischen Kleinstadt-Egoismus im schlechtesten Sinne pflegen. Auch das darf man selbstverständlich tun, solange die Grenzen von Sitte und Anstand nicht überschritten werden.
Privatsphäre und Entscheidungsfreiheit haben wir am meisten vermisst.
Eigentlich haben wir das, was war, ganz schnell hinter uns gelassen. Zur Erinnerung – und vielleicht Mahnung 🙂 – schreibe ich hier trotzdem beispielhaft auf, was so passieren kann in der Nachbarschaft.
- Ständige Kommentare zu allem und jedem über Grundstücksmauern oder Balkone hinweg. Ja, wir sind Nachtmenschen und schlafen morgens länger – so what?
Und wir stehen partout nicht auf englischen Rasen und Schotterflächen, von denen jedes vorbeilaufende Katzentier – selbst Babys, deren Augen noch blau sind – mit Besen, Stock, Steinen oder Wasserstrahl höchst rüde vertrieben wird. Pötte, Boho-Schick und Kätzchen, die zwischen den Pötten herumspringen, gefallen uns deutlich besser. Das muss man nicht mögen, uns aber leben lassen.
- Eine Britin, die nicht Griechisch spricht, in ihrer Kommunikation aber bevorzugt das griechische M-Wort nutzt. Aber was will man von einer Person erwarten, die sich in der Nachbarwohnung bedient, während sie aufpassen wollte.
Apropos Britin:
Wir haben ganz schön geschluckt, als wir mitbekamen, dass diese rohe Person dilettantisch mit der Falle eingefangene Mäuse und Ratten, weil sie noch lebten, mit Hammer und Schraubenzieher eigenhändig tötete – als Frau!
- Uns einfach mal so unser Solarprojekt zu vermasseln, weil man es entweder nicht versteht (rechts) oder arrogant grundlos ablehnt – selbst braucht man es ja nicht – (Herr Nachbar links). Das war schon eine Ansage.
- Den Ex vor dem Aufstehen mit der Motor-Baumsäge loszuschicken, damit er unseren schönen Fikus, der seit fast 15 Jahren da steht, halbseitig kastriert. Er würde dem soeben gepflanzten Hibiskus die Sonne nehmen, so die Britin. Zum Glück war der Lärm dermaßen extrem, dass wir quasi im Bett standen. So konnten wir den Ex mit energischem Protest stoppen.
- Uns als asozial abstempeln, weil wir im Haus mit drei Katzen leben und weitere – damals Babys – in unserem Garten fütterten. Wenn das der Maßstab ist, so ist nicht nur Kreta übersät mit Asozialen 🙂
- Die Ultraschall-Katzen-Scheuche, die zehn Meter weit reicht und eh‘ höchst umstritten ist, selbstherrlich nur drei Meter entfernt von der Trennmauer zwischen unseren Terrassen und voll auf uns gerichtet aufzustellen (Herr Nachbar links). Ich konnte sie auslösen, wenn ich am Grill oder an unserem Esstisch war. Und sie war so scharf eingestellt, dass ich als Mensch davon Missempfindungen bekam. In Deutschland hätte ich diesen Nachbarn sofort angezeigt.
Kurios: Wenn sich wirklich eine Katze dem Grundstück der Nachbarn aus Deutschland näherte, so kam die aus dem Olivenhain, also über eine der beiden anderen Seiten der Terrasse. Die Aktion uns gegenüber war völlig überflüssig.
Die Beispiele ließen sich fortsetzen …
Alles in allem nicht unbedingt die Nachbarschaft, die man sich wünscht. Wir genossen unser Kreta-Leben mit vielen Ausflügen, Tanzen, Sport, Sprachunterricht, Wandern, Tavernenbesuchen, Treffen mit Freunden aus aller Welt und vielem anderen mehr trotzdem – bis zum letzten August. Ab da wurde es unerträglich, denn wir mussten ständig Angst um unsere Kätzchen haben.
Doch am Ende sind wir den Individuen links und rechts von uns am alten Platz sogar sehr dankbar, denn ohne den großen Knall letzten Sommer – wegen de facto gar nichts – hätte sicher unsere Trägheit gesiegt. Es wäre wirklich schade, hätten wir unser neues Objekt nicht gefunden. Es bietet ganz andere Möglichkeiten für das Leben auf Kreta. Allerdings hätten wir für solch‘ ein Anwesen vor acht Jahren noch nicht den Mut gehabt.
Die Moral von der Geschichte …
Wahrscheinlich hatten wir einfach nur Pech – und das gleich mit den Nachbarn auf beiden Seiten. Hinzu kommt ja noch, dass es keinen winzigen Ansatz für irgendeine Gemeinsamkeit und damit gute Gespräche gab.
Alles in allem würden wir mit den Erfahrungen von 2023 heute einiges anders machen als 2015. Denn – so unsere späte Erkenntnis – Nachbarn können wechseln und mancher „Bestands“-Nachbar zeigt sein wahres ICH erst, wenn er Verstärkung von Gleichgesinnten bekommt.
Die Bedeutung der Nachbarschaft, vor allem aber der Art des Hauses, das man kauft, hatten wir in unserer Euphorie, nach Kreta zu ziehen, eindeutig unterschätzt. Schließlich berichten auch andere Residenten, dass das Zusammenleben der Ausländer auf Kreta in eng beieinander stehenden Häusern nicht immer nur friedlich ist. Haustiere, vor allem Hunde, sind da ein sehr beliebter Streitpunkt, aber nicht nur.
Auch Bauprojekte bergen Streitpotenzial. Weil Häuser seinerzeit auf gemeinsamen Grundstücken gebaut wurden, braucht man für bestimmte Arbeiten die Zustimmung der Nachbarn – und das, obwohl sie das Ganze überhaupt nicht tangiert. Unser Anwalt meinte, wir könnten die Zustimmung für unser Solarprojekt einklagen … Das brauchen wir jetzt nicht mehr, denn im neuen Objekt entscheiden wir selbst.
Höchstwahrscheinlich wäre ein Mehrparteienhaus im urbanen Chania unproblematischer gewesen als unser freistehendes Dreierhaus im Olivenhain. Was mal hinsichtlich Sicherheit, Wärmeisolation, wechselseitiger Hilfe und vielem mehr von Vorteil war, erwies sich nachträglich als Falle.
Es lohnt sich also, beim Immobilienkauf alles einmal mehr zu durchdenken, bevor man sich für ein Objekt entscheidet, nichts zu überstürzen und vor allem im Blick zu haben, dass Nachbarn auf Kreta nicht selten wechseln.
Als reines Ferienhaus oder zum Vermieten war unser altes Haus absolut perfekt. Um selbst rund ums Jahr dort zu wohnen, war es das für uns eben nicht mehr.